Ob bei Höchstgeschwindigkeit oder einfach nur entspannt durch die Gegend fahren – beim Job des Testfahrers geht es genau um die Mischung. Thomas Sommer, Testfahrer und Teamleiter bei der MVI AUTOMOTIVE, gibt Einblicke in den Alltag und den harten Bewerbungsprozess eines Erprobungsfahrers
„Bei uns läuft’s nicht so wie in der Sendung GRIP!“ Das ist ein klares Statement von Thomas Sommer, der seit mehreren Jahren Teamleiter der 24 Testfahrer bei der MVI AUTOMOTIVE ist. Entgegen den Rennfahrer-Klischees erfordert der Alltag eines Erprobungsfahrers von Prototypen mehr als nur Spaß am Gas, sondern vielmehr technisches Know-how, Konzentration und eine sehr gute Fahrzeugbeherrschung. Die Fahrer bei der Dauerlauferprobung müssen auf festgelegten Strecken zwischen 350 und 900 Kilometer absolvieren – und zwar pro Tag und in der Regel im 3-Schicht-Betrieb an 360 Tagen im Jahr. Die Heiß- und Kaltland-Erprobungen im Ausland erfordern zudem eine hohe körperliche Fitness als Voraussetzung.
Die Fahrer holen die Prototypenfahrzeuge zu Schichtbeginn in der Basisstation des Kunden ab. „Es ist immer wieder ein Highlight, wenn neue Modelle, die noch nicht auf dem Markt sind, für uns zum Test anstehen“, erzählt Sommer mit leuchtenden Augen. Bevor die Fahrt losgeht, müssen allerdings die Besonderheiten der Strecken und Fahrzeuge mit dem dortigen Einsatzleiter abgestimmt werden. Insbesondere sicherheitsrelevante Aspekte sowie der Bericht des Fahrers aus der vorherigen Schicht sind wichtig. Sowohl während der Fahrt als auch in den Standzeiten, werden dann alle Auffälligkeiten erfasst. Nach Fahrtende werden die Testergebnisse dann in die elektronischen Kundensysteme übertragen. All diese Abläufe und Vorgaben müssen eingehalten werden, damit die Testergebnisse am Ende zu 100 Prozent nachvollziehbar und damit für Analysen verwertbar sind.
Die Prüfung zum Testfahrer ist anspruchsvoll
Die Voraussetzungen, um überhaupt Testfahrer zu werden, sind nicht einfach. Zunächst muss ein Bewerber die MVI AUTOMOTIVE mit seinem technischen KFZ-Verständnis überzeugen. Zudem muss er mindestens fünf Jahre im Besitz einer gültigen Fahrlizenz sein und sollte keine Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg haben. „Wer Punkte für zu schnelles Fahren bekommen hat, fällt aus dem Bewerberprozess raus. Wir brauchen keine Raser“, erklärt Sommer. In Frage kommende Bewerber müssen die nächste Hürde meistern und zur sogenannten „Sichtung“, die sowohl eine praktische als auch eine theoretische Prüfung umfasst.
Einige Kandidaten scheitern unter anderem schon an der richtigen Sitzposition im Fahrzeug, wenn zum Beispiel die Einstellung der Spiegel oder die Entfernung zur richtigen Lenkradposition nicht passen. Warum so ein hartes Auswahlverfahren? Zum einen, weil die Erprobungsträger (Testfahrzeuge) meist ein Vielfaches eines Serienfahrzeugs wert sind und vom Kunden mit teuerster Messtechnik ausgestattet wird. „Wir tragen als Auftragnehmer für die Autos unserer Kunden und somit für das Handeln unserer Fahrer die Verantwortung. Zum anderen investieren wir nach Einstellung des Mitarbeiters in der Regel erst einmal sechs Monate für Qualifizierungsmaßnahmen. Fünf verschiedene Fahrsicherheitstrainings müssen absolviert werden, bevor die Fahrer alle Fahrzeuge testen dürfen“, erklärt Sommer.
Testfahrten mit alternativen Antrieben und autonomen Fahrzeugen
„Fahrerprobung für Elektrofahrzeuge führen wir regelmäßig durch, autonome Prototypen konnten wir auch schon erproben, allerdings ist das noch nicht die Regel. Hier besteht die Herausforderung darin, das Fahrzeug wirklich selbst fahren zu lassen und nur im Notfall einzugreifen,“ erzählt Sommer fasziniert. „Autonomes Fahren ist zwar heute noch nicht marktreif, doch wir als Testfahrer tragen maßgeblich zur Entwicklung dieser neuen Technologie und allgemein zur Sicherheit der Fahrzeuge bei. Darauf sind wir stolz.“